Menschen mit Demenz, die in Altenpflegeheimen leben, schlafen häufig schlecht – mit fatalen Folgen für sie und starken Belastungen für Pflegende und Angehörige. Eine Studie zeigte, wie es mit einfach umzusetzenden Maßnahmen weniger schlechte Nächte gibt.
Ein Dilemma: Demenz kann Schlafprobleme auslösen – aber schlechter Schlaf kann auch die Demenz beschleunigen. Einfache Maßnahmen können helfen, damit die Nacht nicht zum Tag wird.
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Dass wir lieben Menschen eine „gute Nacht“ wünschen, kommt nicht von ungefähr: Erholsamer Schlaf ist lebensnotwendig. Besonders wichtig ist guter Schlaf für ältere Menschen mit Demenz: Bei ihnen führt Schlafmangel zu einem beschleunigten Abbau der ohnehin beeinträchtigten körperlichen und geistigen Fähigkeiten. Auch verarbeitet das Gehirn in tieferen Schlafphasen neue Informationen. Fehlen diese, sinkt die Gedächtnisleistung weiter ab – eine Demenz kann sich so verstärken.
Ursache und Wirkung lassen sich bei diesem Problem nicht klar trennen, stattdessen scheinen Demenz und Schlafprobleme sich gegenseitig zu bedingen: Häufig begünstigt eine Demenz auch Schlafprobleme – zum Beispiel, weil Betroffene den Nachtbeginn nicht wahrnehmen oder sich aufgrund ihrer Verwirrtheit zu stark aufregen, um zur Ruhe zu kommen. Fast immer ist diese Personengruppe auch von Mehrfacherkrankungen betroffen, was ebenfalls im engen Zusammenhang mit der Abnahme von Schlafqualität steht.
„Die besonderen Lebensumstände in Altenpflegeheimen steigern das Risiko für Schlafprobleme, denn hier kommt es oft zu nächtlichen Störungen durch Mitbewohnerinnen und Mitbewohner oder Pflegetätigkeiten“, so Professor Dr. Sascha Köpke, Leiter des Instituts für Pflegewissenschaft an der Universität zu Köln. „Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass circa ein Viertel der Betroffenen unter teilweise erheblichen Schlafstörungen leidet. Auch in internationalen Erhebungen wurden ähnliche Ergebnisse gezeigt.“
Mit einfachen Maßnahmen und möglichst ohne Medikamente zur Ruhe kommen
Ziel des Pflegewissenschaftlers und seines Teams war es, gemeinsam mit drei weiteren Studienzentren mit einer vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie die Situation zu verbessern. Die Studie MoNoPol-Sleep – mit vollem Titel „Multi-modale, nicht-pharmakologische Intervention bei Schlafproblemen von Pflegeheimbewohnern und -bewohnerinnen mit Demenz: eine cluster-randomisierte explorative Studie“ – wurde im Rahmen der Fördermaßnahme „Klinische Studien im Alter“ unterstützt. „Von ruhigeren Nächten profitieren letztendlich alle Betroffenen: die Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegeheimen, aber auch die Angehörigen und die Pflegenden“, fasst Köpke zusammen. „Die besondere Herausforderung für uns war dabei, dass das Programm ohne größeren personellen und technischen Aufwand umsetzbar sein und eine spürbare Verbesserung bringen sollte.“
Professor Dr. phil. Sascha Köpke
Universität zu Köln
Gemeinsam mit einem Konsortium von Pflegewissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern wurde ein Interventionsprogramm entwickelt, an dem 199 Bewohnerinnen und Bewohner von 22 stationären Altenpflegeeinrichtungen teilnahmen. „Die Intervention führte zu einem deutlichen Rückgang des Anteils von Menschen mit Demenz und Schlafstörungen nach 16 Wochen um 24 Prozent“, sagt Köpke. „In der Gruppe mit dem neuen Programm hatten bei Ende der Studie noch etwa 60 Prozent Schlafstörungen, während es in der Kontrollgruppe circa 84 Prozent waren. Dies ist ein relevantes und statistisch signifikantes Ergebnis.“
Gute Nächte sind dunkel, ruhig und kühl – auch im Pflegeheim
Doch was lässt sich nun konkret tun, um den Nachtschlaf auch für diejenigen zu verbessern, die aufgrund ihrer nachlassenden geistigen Fähigkeiten vielleicht Schwierigkeiten haben, sich mitzuteilen? Die Forschenden haben das Programm hierzu gemeinsam mit Bewohnervertretungen der beteiligten Pflegeheime entwickelt und vor Ort jeweils zwei Schlafbeauftragte ausgebildet. Zusätzlich wurde das Pflegepersonal in Workshops geschult und Informationsmaterial bereitgestellt.
Interessanterweise zeigte sich, dass von Demenz betroffene Menschen nicht unbedingt völlig andere Maßnahmen brauchen, um gut zu schlafen. Viele der empfohlenen Maßnahmen tun auch gesunden Menschen gut. „Es ist grundsätzlich wichtig, passende Aktivierungen am Tag anzubieten“, so Köpke. „Wer tagsüber nach Möglichkeit körperlich und sozial aktiv ist, nicht übermäßig viel schläft und frische Luft und Tageslicht genießt, kommt nachts besser zur Ruhe.“
Schlafprobleme erkennen
Schlafprobleme können sich insbesondere bei älteren Menschen mit Demenz sehr unterschiedlich bemerkbar machen – und wenn diese sich selbst nicht mehr gut äußern können, bleiben schlechte Nächte manchmal unentdeckt. Eine erhöhte Schläfrigkeit am Tag kann auf Schlafprobleme hinweisen, muss es aber nicht. Auch ein zu frühes Aufwachen, Unruhe, zielloses Umherwandern in der Nacht und eine starke Abnahme der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit können auf einem gestörten Nachtschlaf beruhen. Die Forschenden empfehlen daher, dass Pflegefachpersonen in Fallbesprechungen speziell zum Thema Schlaf gemeinsam ihre Beobachtungen zu den Symptomen zusammentragen und dann entsprechende Maßnahmen für die Betroffenen anbieten.
Auch Routinen helfen Menschen mit Demenz, in den Schlaf zu finden: Das können feste Ruhezeiten, regelmäßige Gute-Nacht-Rituale oder auch eine besondere Hautcreme sein, die nur zur Schlafenszeit aufgetragen wird. Hinderlich sind hingegen nächtliche Geräusche oder Störungen, zu denen es in einem Pflegeheim nachts kommen kann. „Neben Geräuschen durch pflegerische Tätigkeiten in der Nacht gilt es vor allem, Störungen durch Alarme, Klingeln und Telefone, schlagende Türen und quietschende Schuhe oder Pflegewagen zu vermeiden“, empfiehlt Köpke. „Licht spielt eine ebenso große Rolle, wenn es darum geht, ungestört schlafen zu können. Daher sollten vermeidbare Lichtquellen in den Zimmern der Bewohnerinnen und Bewohner entfernt werden.“
Auf Grundbedürfnisse achten, Schlafmittel möglichst vermeiden
Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Pflegeexpertinnen und -experten im Team: Häufig sind Menschen mit Demenz nicht mehr in der Lage, ihre Grundbedürfnisse angemessen zu äußern. Hunger, Durst, Schmerzen, Wärme, Kälte oder ein notwendiger Toilettengang können vom Schlafen abhalten – hier hilft es, dies aktiv abzufragen.
Und wie sieht es mit Schlafmitteln aus? Köpke und sein Team sehen deren Einsatz nur im Ausnahmefall als hilfreich an. „In der Regel helfen Schlafmittel nicht gegen die eigentlichen Ursachen der Schlafprobleme, sondern unterdrücken nur die Symptome“, fasst er zusammen. „Demgegenüber stehen erhebliche Nebenwirkungen wie beispielsweise Tagesmüdigkeit, das erhöhte Risiko von Stürzen und Abhängigkeit. Wir empfehlen eine medikamentöse Behandlung von Schlafproblemen nur in Ausnahmesituationen mit einer Einnahme von maximal vier Wochen und in der niedrigsten wirksamen Dosis.“
Schlecht geschlafen wird nicht nur in Pflegeheimen: In einem nächsten Schritt planen die Forschenden, in Kooperation mit internationalen und nationalen Partnern, ihr Programm für die ambulante Pflege sowie für die Pflege von Menschen mit Demenz im Krankenhaus anzupassen und zu untersuchen, wie es sich dort erfolgreich umsetzen lässt.
Originalpublikationen:
Wilfling D, Kühn A, Lüth F, et al. Process evaluation of an intervention to reduce sleep problems in people living with dementia in nursing homes: a mixed-methods study. Age Ageing. 2025; 54(3):afaf051. DOI: 10.1093/ageing/afaf051
Dichter, M. N., Dörner, J., Wilfling, D., et al. (2024). Intervention for sleep problems in nursing home residents with dementia: a cluster-randomized study. Int Psychogeriatr. 2024 Jan 8; 36(10): 965-978. DOI: 10.1017/S1041610223004489
Wilfling, D., Calo, S., Dichter, M. N., et al. (2023). Non-pharmacological interventions for sleep disturbances in people with dementia. Cochrane Database Syst Rev. 2023 Jan 3; 1(1):CD011881. DOI: 10.1002/14651858.CD011881.pub2
Ansprechpartner:
Prof. Dr. phil. Sascha Köpke
Institut für Pflegewissenschaft
Universität zu Köln
Gleueler Straße 176−178 A
50935 Köln
sascha.koepke@uk-koeln.de